Will man über die Erziehungsmethoden von Großeltern oder Urgroßeltern sprechen, ist es zuerst einmal vonnöten die Struktur der Gesellschaft zu betrachten, in der die Erziehung stattfand. Familie war noch vor gerade einmal fünfzig Jahren vollkommen anders definiert, als das heute der Fall ist. In der Gesellschaft existierte das Bild der idealen Familie mit dem Vater als autoritären Ernährer und der Mutter als gluckenhafter Beschützerin des Nachwuchses, die auch die Ansprüche und Forderungen des Familienoberhauptes durchzusetzen hatte.
Nicht nur die Emanzipation der Frau, die ab den sechziger Jahren hohe Wellen schlug, auch das allgemeine Weltbild, die Weiterentwicklung der Technik, das beginnende Computerzeitalter, die damit verbundenen Änderungen in der Arbeitswelt, bestimmten und veränderten das Bild der Erziehung grundlegend. Alternative Erziehungsmethoden, so die viel zitierte „antiautoritäre Erziehung“, Philosophien wie die Rudolf Steiners, der die Waldorf-Schulen etablierte, fanden Einlass in das Bewusstsein der Therapeuten und Eltern. War es vorher Begrenzung und Disziplin, Einengung und Hierarchiebewusstsein, die das Ziel und den Weg in der Pädagogik darstellten, erschienen nun plötzlich entgegengesetzte Werte positiv. Körperliche Züchtigung, das Handwerkszeug einer als vernünftig betrachteten Erziehung, war mit einem Mal verpönt, Disziplin der freien Entwicklung des Geistes abträglich. Die ursprüngliche, überschwängliche Begeisterung für die absolute Freiheit in der Erziehung hat sich mittlerweile wieder gelegt, vernünftige Mittelwege werden angestrebt, wenn auch aus gutem Grund, schmerzhafte Strafen und Züchtigungen aus dem Repertoire der Erzieher, die ja eine Vorbildrolle spielen, ersatzlos gestrichen sein sollten. Dass dies nicht immer der Fall ist, lehren uns fast täglich Berichte über Kindsmisshandlungen. Und auch die katholische Kirche ist ihrer Rolle als Sittenwächter in der Kindererziehung nicht gerecht geworden. Die institutionelle Erziehung hat schweren Schaden genommen –nicht von ungefähr.